Studiotechnik

Mehrspur Aufzeichnung

Der Artikel beginnt mit der von mir so sehr geschätzten MTR 90 von Otari, die über so viele Jahre mein treuer Begleiter war – in Verbindung übrigens mit der hier ebenfalls beschriebenen Neve 8128 Konsole. Die Firma ist im Gegensatz zu vielen Konkurrenten noch nicht verstorben, baut aber heute ganz andere Sachen. Die Webseite von Otari gibt es hier.

Die Konstruktion der Maschine war in jeder Hinsicht etwas besonderes – als Wichtigstes nenne ich mal den Bandantrieb ohne Capstan Rolle; das ist die Gummirolle die sonst immer das Band an die Capstan oder Antriebswelle andrückt. Bei der MTR-90 fungiert die rechte Rolle als Antrieb, während die linke Rolle als Tacho Rolle die Geschwindigkeit kontrolliert. Der Antriebsmotor läuft ohne Getriebe direkt in der richtigen Geschwindigkeit.

Das Austauschen der Antriebsrollen verlangte sehr viel Fingerspitzengefühl: Zum Erreichen geringer Gleichlauf Schwankungen mussten die Antribs- und die Tachorolle exakt zentrisch sein. Otari hatte deshalb die Motorachse um einen winzigen Betrag nicht zentrisch gemacht, und das Loch in der Antriebsrolle ebenfalls ganz leicht gegen die Mitte verschoben gebohrt. Der Trick bei der Montage der Rolle war jetzt, die Rolle auf der Achse vorsichtig so lange zu drehen, bis Gleichlauf erreicht war. Kontrolliert habe ich das, in dem ich ein Bezugsband wiedergegeben habe, und die Frequenzschwankungen im Pegelton-teil vermessen habe…

Auf diesem Bild ist die Kopfanordnung mit den 24 Spur Köpfen schön zu erkennen. Von Links nach Rechts: Löschkopf, Aufnahmekopf, Wiedergabekopf.
Alte Hasen kennen jetzt das Problem, dass man bei der Aufnahme einer einzelnen Spur nicht die bereits aufgenommenen Spuren über den Wiedergabekopf abhören darf, da ja durch die Laufzeit des Bandes die Signale später am Wiedergabekopf ankommen. Deshalb wird beim „Overdub“ über den Aufnahmekopf gehört, und nur die einzelne Spur in den Aufnahmemodus versetzt. Die Spur, die aufgenommen wird, wird bis zum Aufnahmepunkt in Wiedergabe betrieben – während der Aufnahme schaltet die Maschine das Ausgangssignal auf den Eingang um, so dass man kontrollieren kann, ob der Beginn der Aufnahme von Timing passt.

Gesteuert werden die Vorgänge bei der Aufnahme durch diese Fernbedienung. Die rote Schalter Reihe oben bestimmt, welche Spur in Aufnahme gehen soll. Die weiße Schalter Reihe unten schaltet die Spuren um zwischen Input, Sync, oder Playback (also Wiedergabekopf). Die Leuchtdioden dazwischen signalisieren den Status jeder einzelnen Spur.

Das untere Feld enthält den „Autolocator“ – der ist zunächst eine Fernbedienung für alle Laufwerksfunktionen, und außerdem kann man bestimme Positionen abspeichern und dann schnell automatisch anfahren oder loopen. (dabei wird die selbe Stelle ständig wiederholt)

Während meiner Ausbildung waren die Recorder von 3M ebenfalls sehr beliebt. Das Amerikanische Styling fand ich schon immer sehr gewöhnungsbedürftig.

Auch diese Maschine arbeitete ohne Andruckrolle! Der direkt angetriebene Capstan ist die braune Rolle ganz vorn.

Aus deutscher Produktion war die Maschine von Telefunken sehr beliebt. Überhaupt gäbe es ja über die Firma Telefunken noch ganze Bände zu schreiben – vor allen Dingen über die 2 Spur Stereo Maschinen die in unterschiedlichen Modellen der Standard aller deutschen Rundfunkanstalten waren.

 Ich möchte zum Schluss die A800 von Studer nicht unerwähnt lassen – und ihr gebührt wahrlich etwas anderes als der Letze Platz in dieser Aufzählung. Die Maschinen von Studer sind ein großartiges Stück Schweizer Technik – in jeder Beziehung: klanglich, von der Verarbeitung, von der Haltbarkeit usw. Ich werde bestimmt zu einem späteren Zeitpunkt eigene Artikel über Studer schreiben.

Und wenn wir dann schon in der Schweiz sind, dann darf auch die Firma Nagra nicht vergessen werden, zu der ich auch eine besonders innige Beziehung habe, aber dazu auch später eventuell mehr…


Veröffentlicht: 28. April 2015

Mehrspur Aufzeichnung

Diese Maschine war in allen drei Studios meines Ausbildungsbetriebs in Köln. Wir haben hier immer die Spuren Anwahl Bedienung ausgebaut und in einen Beistelltisch am Mischpult verfrachtet. In das dann in der Maschine entstandene Loch wurde eine schwarze Platte eingebaut, in der sich die (ebenfalls ausgebaute) Aussteuerungsanzeige der Citation 16 Endstufe der Abhörlautsprecher befand.

Entgegen meiner Annahme auf der vorherigen Seite, hat die Maschine doch einen Capstan Antrieb, und sogar zwei Andruckrollen. Die vordere Umlenkrolle ist somit nicht der Antrieb, sondern eine Tacho Welle. Erst heute stelle ich mir die Frage, wie es 3M geschafft hat, trotz zweier Andruckrollen auf dem gleichen Antrieb dafür zu sorgen, dass sich keine Schlaufe bildet, und das Band straff an den Köpfen vorbei geführt wird. Das kann nur über einen gewissen Schlupf an der Rolle gehen. Ich habe die Maschine tausend mal in Aktion gesehen, damit aufgenommen, und gearbeitet, aber an dieses Detail erinnere ich mich nicht mehr. Ich saß ja auch am Mischpult, und die Maschine hatte zu funktionieren.

Die Bedienung war nicht so intuitiv wie bei der Otari MTR 90. Es gab irgendeinen Trick, bei dem die Haupt Schalter für CUE und Input nur halb gedrückt wurde, und damit die ganze Zeile umsprang, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Maschine auf Aufnahme ging. Das vermied vermutlich Verzögerungen im Kopfhörer der aufgenommenen Künstler. Bei der Orari brauchte ich solche Klimmzüge nicht.

Was für eine gewaltige Maschine! Ich habe das gute Stück etliche male mit unserem Technik Ingenieur Spur für Spur eingemessen – dafür hatten wir das sündhaft teure Messband von Agfa; so etwas wird heute nicht mehr hergestellt, die Firma Agfa ist, jedenfalls was Magnetbänder angeht, nur noch Geschichte… (und 3M baut längst keine professionelle Studiotechnik mehr – es sollten wohl hauptsächlich die eigenen Bänder auf der Maschine verwendet werden!)

Hinter den beiden unteren „Schranktüren“ war eine Unmenge Elektronik, unter Anderem für jeden Kanal eine eigene Platine mit der A/W Elektronik, und unzähligen Potis zum Einmessen. Vormagnetisierung, Entzerrung, Pegel – und das für beide Geschwindigkeiten. Ja, 3dB Overbias, das war der VM Punkt. Man erhöht die VM bis zum maximalen Wiedergabe Pegel, und erhöht dann weiter, bis der Pegel wieder um 3 dB gefallen ist, so hatte die Spur den besten Frequenzgang….