Queere Gedanken zur Wahl
Die FDP hat für uns sogar eine eigene Webseite, auf der sie ganz konkret 24 queere Beschlüsse, Positionen und Forderungen publiziert. „Jeder Mensch soll seinen Lebensentwurf verwirklichen können.“ Sie wollen nicht nur der Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher oder sexueller Identitäten ein Ende setzen, sondern diese Toleranz auch weltweit fördern. Ihr Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit, die Stärkung von LGBT-Rechten gipfelt ganz konkret in der Forderung des Adoptionsrechts für alle und der lange überfälligen Abschaffung des Blutspendeverbotes für Schwule.
Die Universität Hohenheim in Stuttgart hat sich mit der Verständlichkeit der Wahlprogramme beschäftigt. Ihr Hohenheimer Verständlichkeitsindex reicht von 0 (formal schwer verständlich) bis 20 (formal leicht verständlich). Die Linke liefert in diesem Jahr das verständlichste Wahlprogramm mit 8,4 Punkten. Den letzten Platz belegen die Grünen. Mit 5,6 Punkten kommen sie der durchschnittlichen Unverständlichkeit von Doktorarbeiten (4,3 Punkte) bedenklich nahe.
Konsequentes Gendern macht Texte nicht verständlicher als korrektes Hochdeutsch. Wobei ich nicht unterstellen will, dass Annalena Baerbock (Grüne, 40) konsequent gendert. Das macht sie nämlich nur bei Frauen- rechten. Bei Frauenpflichten und Männerrechten enthält sie sich der Lust zum Gendern. Lesben wollen deshalb eher die Gründen wählen und Schwule sehen sich deutlich besser durch die FDP vertreten. Zwar gehen die Grünen beim Gendern nicht ganz so weit wie das ZDF, das seit Neustem sogar Taliban*innen kennt, aber bei den Alleinerziehenden kennt Annalena nur Mütter. Väter kommen in einer grünen Welt alleinerziehend nicht vor.
Erstaunlich finde ich auch, dass die Welt der Grünen im Wahlprogramm gar nicht so grün ist, wie sie immer tun. Sie widmen der Außenpolitik viel mehr Platz als der Umwelt. Wer hätte das gedacht. Als einzige Partei hält die FDP Umweltpolitik für das derzeit wichtigste politische Thema. Nur sie widmet grünen Themen den größten Raum im Wahlprogramm. Die Hohenheimer Politwissenschaftler bestätigen einmal mehr in ihrer Studie, dass sich Parteien nach der Wahl erstaunlich häufig an ihre Aussagen im Programm halten.
Wie Homosexuelle wählen werden, hat die Universität Gießen zum zweiten Mal vor einer Bundestagswahl erforscht. Die Schwankung im schwulen Wahlverhalten ist sehr hoch. Nur etwas mehr als die Hälfte der befragten LGBT-Wähler möchte bei dieser Bundestagswahl dieselbe Partei wählen wie 2017.
Bei der SPD ist der Anteil der treuen Wähler mit 65,8 % noch am höchsten. Das mag auch am Spitzenkandidaten Olaf Scholz (SPD, 63) liegen. Über die Jahre äußerte er sich immer wieder wohlwollend gegenüber der LGBT-Community. So war er 1999 an der Einführung der „Hamburger Ehe“ beteiligt, welche die Eintragung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zumindest symbolisch ermöglichte, damals ein Novum in Deutschland. Andererseits war die GroKo aus schwuler Sicht eher eine Stillstands- und Blockadekoalition. Wohl deshalb wollen nur noch etwa 9 % der Schwulen diesmal SPD wählen. Am derzeitigen starken Aufwind der SPD sind also Homosexuelle wenig beteiligt.
Die Gießener Studie kommt zu dem Schluss, dass drei Viertel aller Homosexuellen Grüne oder Linke wählen. (was ich persönlich sehr bedauerlich finde!) Den überwiegenden Rest teilen sich SPD und FDP. Die Union sowie die AfD scheitern bei schwulen Wählern kläglich an der 5 % Hürde. Bei der AfD ist das selbstverständlich zu erwarten. Die kritisiert, dass die CDU/CSU Ungarn ihre LGBT-Agenda aufzwingen wolle und meint, das grüne Gender-Gaga-Gesetz ignoriere die biologische Realität.
Bei der Union sind wohl viele Schwule der Meinung, sie betreibe unglaubwürdiges und schamloses Pinkwashing. Wenn Armin Laschet (CDU, 60) fordert, jeder solle sich hierzulande sicher fühlen, „egal wen man liebt“, würden wir ihm das eher abnehmen, wenn die von ihm angeführte NRW- Regierung im Bundesrat die Ehe für alle nicht abgelehnt hätte.
Im Bundestag scheitern quasi alle queerpolitischen Initiativen an der CDU/CSU. Und im aktuellen Wahlprogramm der Union kommen schwul- lesbische Begriffe praktisch nicht vor. Gleichstellung wird nur ein einziges Mal erwähnt, im Zusammenhang von Menschen mit Behinderungen.
Dabei ginge es auch anders. „Ich würde manches, was ich in den 70ern zum Thema Familie, Ehe, gleichgeschlechtliche Gemeinschaft gesagt habe, heute nicht mehr wiederholen. Und zwar nicht, weil sich der Zeitgeist geändert hat, sondern weil ich überzeugt bin, dass die heutige Auffassung die richtigere ist.“ So äußerte sich kürzlich der ehemalige CSU-Parteivorsitzende Theo Waigel (82).